Das Ungeheuer von Well Ness (Uno)

Manchmal hat man eben das Gefühl, irgendwie durch zu sein. Das kommt meistens nicht wie angeflogen, ist vielmehr ein schleichender Prozess, aber wenn es dann da ist, dieses Gefühl, dann muss man zusehen, dass man Land gewinnt. Am besten ein Eiland mit vielen Palmen drauf. Leider gehen beim Eilandlotto die weitaus Meisten leer aus und es ist daher durchaus sinnvoll so früh wie möglich nach einer Alternative Ausschau zu halten. Als ich entdeckte, dass ich durch bin, entschied ich mich daher für eine Reise nach Well Ness. Ein Ort, der sich irgendwo in Südtirol, ganz in der Nähe von Meran angesiedelt hat und an dem sich Durche aus ganz Europa (und aus der Schweiz) wieder herrichten lassen. Da ich „gar keine Auto abe“ buchte ich mir eine Zugfahrt nach Well Ness. Das Buchen steigerte meine Durchheit weiter, da sowohl der digitale als auch der analoge Buchungsbeamte des Buchens kaum mächtig waren. Aber am Ende gelang es dann wider Erwarten doch irgendwie.

Am Bahnhof wollte ich noch schnell etwas Geld holen. Man weiß ja nie, wie gut diese kleinen niemandsländischen Ortschaften infrastrukturell dastehen und ich wollte die bald frisch manikürten Hände nur äußerst ungern mit Spülen wieder ruinieren. Ich sprang also auf ein vorbeilaufendes Geldinstitut auf und hielt mich an dessen einarmigen Banditen schadlos. Da ich mich nicht auskannte, machte ich auf Anhieb alles falsch und verließ die Bank mit einem Koffer voll Geld, das mir nicht gehörte.

Natürlich war schon die Zugfahrt nicht ereignislos. Nachdem ich bis Innsbruck mein kleines Abteil mit zwei charmanten Südtirolerinnen teilen durfte, fiel dort dann lauthals eine Bande von Kofferschiebern in unser kleines Paradies ein. Im Abteil wurde alles zugekoffert und die wenigen leer gebliebenen Eckchen wurden im nächsten Schritt voll gequatscht. Die Südtirolerinnen ergriffen die Flucht, ich presste mich tiefer in den Sitz in der Hoffnung, die Invasoren würden mich vielleicht übersehen. Als sie sich dann anschickten, mich in ihre belanglosen „Schöne Gegend hier“- und „Unser Sohn, der Julian, der studiert in Rom“-Gespräche zu involvieren, zog ich kurzerhand alle Register und den iPod aus der Tasche. Eine Mischung aus Rage against the Machine und Irene Fischer half mir durch die nächsten Stunden.

In Bozen sollte ich von einem Hotelshuttle aufgelesen werden. Verzweifelt hielt ich nach dem angekündigten grünen Sharan Ausschau, der genau fünf Minuten nach meiner Ankunft mit weit geöffnetem Kofferraum und ausgerolltem roten Teppich vor dem Bahnhofseingang hätte erscheinen sollen. Ich wartete eine Viertelstunde und der junge Chauffeur hatte wohl außerdem vergessen, den roten Teppich aus der Reinigung zu holen.

Unsere Fahrt führte uns über Stock und Steine. Da wir im Auto saßen, brachen wir uns jedoch glücklicherweise nicht die Beine. Nach etwa einer halben Stunde erreichten wir Well Ness. Eine freundliche Frau mit einem großen Brustvolumen nahm mich in Empfang und zeigte mir ihre kleine Welt. Vom Stil her versuchte man in Well Ness wohl jedes denkbare Klientel zu bedienen. Man möbelte sich durch alle Stilrichtungen durch, ohne dabei die nicht vorhandene klare Linie zu verlieren. Bis zur ersten guten Nachricht sollte es nicht lange dauern: Das Nachmittagsbuffet war bereits anwesend und würde quasi bis zum Abendessen bleiben. Noch nicht einen Finger massiert bekommen und sich schon den Bauch vollschlagen können – das gefiel mir!

Nach dem Rundgang durchs Anwesen geleitete mich die Dame mit dem Oberwasser zu meinen Gemächern, die zwar eher klein aber dennoch durchaus ansprechend daher kamen. Sogar einen kleinen Balkon durfte ich mein Eigen nennen, auf dem ich mich hätte in den Schlaf rauchen können. Ich rauche nicht. Aber allein der bunte Strauss von Möglichkeiten vermochte mich glücklich zu stimmen.

Zum Gebinde Well Ness.
Bild: krossbow / Flickr

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