Mellcolm im Wanderland, Teil I: Von Kiental nach Kandersteg

Wer weiß, wie alles gekommen wäre, wenn CORNELIA ihren LKW nicht so gut beherrscht hätte wie sie es auf der engen Bergstraße an jenem Dienstag tat als sich ihr das Postauto (i.e. Bus), das uns zum Startpunkt unserer Wanderung bringen sollte in den Weg stellte. Doch CORNELIA hatte alles im Griff: Ein bisschen zurücksetzen, ein bisschen den Spiegel wegklappen und unser neues Wanderabenteuer konnte beginnen.

Bereits lange bevor CORNELIA in unser Leben getreten war hatten wir zahlreiche Etappen in den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln hinter uns gebracht. Wir reisten von München nach Bern, von Bern nach Belp, von Belp nach Thun und von Thun nach Reichenbach. Mit Gabelstaplern, Hubschraubern, Tretrollern, diversen Huftieren und ebenjenem Postauto, dem CORNELIA auf der Straße zwischen Reichenbach und Kiental so geschickt auszuweichen vermochte.


Muhkuehe
In Kiental angekommen begrüßte uns eine bisige Witterung, die im tiefsten Hochsommer irgendwie fehl am Platze schien. Wir suchten den Sessellift auf, mit dem wir uns geschickt die ersten 400 Höhenmeter erheischen wollten. (Als Menschen mit Höhenangst wird mir jetzt noch ganz anderes, wenn ich die Worte „Sessellift“ und „wollen“ in einem Satz verwenden muss.) Nachdem wir unser Ticket gelöst hatten, setzte ein demonstratives Nieseln ein. Ich kam mir vor als hätte ich eine Schiffschaukelfreifahrt während eines Hagelsturms gewonnen, während die coolen Kinder sich unter dem schützenden Dach des Autoscooters tummelten und Tekknomusik hörten. Es war toll. Wir enterten das Fahrgeschäft, das sich trotz verhältnismäßig leichter Fracht laut quietschend in Bewegung setzte und uns geradewegs in eine Nebelbank schaukelte.

Alles war kalt, klamm und uneinsichtig. Aber ich war viel zu beschäftigt damit, mich und meine Habe vor dem Ausdemsesselliftfallen zu schützen, als das ich in diesem Moment an Mutti, den Kamin und Spaghetti Bolognese hätte denken können. Plötzlich säuselte eine Stimme aus meiner Hose. Einen kleinen Moment dachte ich, das jüngste Gericht fälle gerade sein Urteil über mich. Dann erkannte ich in der Stimme etwas Bekanntes und wusste, dass meine Handy gerade ungefragt Ferngespräche führte.

Gegend

Gefühlte fünf Stunden Sesselliftfahrt später hatten wir die 400 Höhenmeter im Sack und konnten endlich mit dem Kern des Wanderurlaubs, dem Wandern, beginnen. Nun hatte es am Vortag unglücklicherweise stark geregnet und ab 1500 m sogar geschneit, so dass die auf dem Postkartenidyll saftigen Wanderkuhweiden größtenteils sehr matschepampig daher kamen. Aufgrund einer offensichtlich anatomisch nicht ganz einwandfreien Beinstellung meinerseits gelang es mir binnen 30 Minuten meine trockene hellschlammfarbene Wanderhose in eine feuchte dunkelschlammfarbene Wanderhose zu verwandeln. Mein blitzsauberer Wandergefährte war angesichts dieser Totalverschlammung amüsiert und machte daraus keinen Hehl. Ich tat so als hätte ich nichts von alledem bemerkt und wanderte munter weiter.

Schlammpe

Das Gewandere sollte fünf oder sechs Stunden dauern und uns an Walderdbeeren (mmmh; Exkurs: Fuchsbandwurm), Himbeeren (mmmmmh) und 1-A-Fliegenpilzen vorbei auf immer müder werdenden Beinen direkt zum Apfelstrudel führen. Den hatten wir uns nach den zurückgelegten 15 km wirklich redlich verdient. Dumm war nur, dass die Distanz zwischen Apfelstrudel und Hotelzimmer noch einmal mindestens 3 km betrug, die auf Beinen zurück gelegt werden mussten, die in Gedanken immer noch beim Strudel saßen. Aber eine echte Wandersfrau kann nichts so leicht erschüttern.

Ganz am Ende der Kandersteger Hauptstraße erwartete uns schließlich die Gemmi Lodge, die in vierlerlei Hinsicht an Bates Motel erinnerte. Das Check-In bestand in der formlosen Übergabe des Zimmerschlüssels, was mich einen Moment lang darüber nachdenken liess, wie viel untergetauchte Schwerverbrecher sich hier in diesem Moment wohl so aufhalten mochten. Ich verwarf die Frage und freute mich auf die bevorstehende Waschung und Fütterung. Schon 30 Minuten nach Beginn der Wanderung hatte sich das Bild eines Tellers voll mit Älpler Makkaroni so tief in mein Gehirn eingefräst, dass mich selbst Schampus und Kaviar nicht mehr auf kulinarische Abwege hätten führen können.

Tor zur Welt
Doch bevor wir uns den Gaumenfreuden hingeben konnten, musste ich mir eine dreiste Zecke aus der Hand schrauben lassen und mich und meine dunkelschlammfarbige, mittlerweile angetrocknete Wanderhose einer Katzenwäsche unterziehen. Aufgefrischt machten wir uns also (diesmal per Bus) auf den Weg in das Innendorf und liessen uns in der Abendsonne vor dem ersten Lokal nieder, das uns in die Quere kam.

Es war gut besucht und hatte Älpler Makkaroni auf der Speisekarte: Zwei Gründe, um es für unser bevorstehendes Galadinner auszuwählen. Die Makkaroni entpuppten sich schnell als das genaue Gegenteil von allem, was sie hätten sein sollen. Kartoffeln, Zwiebeln und Makkaroni nahmen ein ausgiebiges Sahnebad, der Greyezerkäse hatte seinen freien Abend und wurde durch dazu gereichten Tütenparmesan vertreten. Lediglich das Apfelmus war über jeden Zweifel erhaben. Was für ein Skandal!

Zurück bei Norman Bates bedurfte es je einer ganzen Stange Toblerone für jeden Beteiligten, um diese kulinarische Grenzerfahrung zu neutralisieren. Der Schlaf des Vergessens, der an diesem ersten Wandertag binnen kürzester Zeit und weit vor 21 Uhr über uns hinein brach, tat ein Übriges bei der Errettung unserer Gourmetseelen.

(Fortsetzung folgt…)

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