Die Geschichte vom Rascheln

Gipfelkreuz

Tegernsee – Risserkogel – Tegernsee, 24. April 2011

Vielleicht kommt es Ihnen so vor, als würde ich nur noch Geschichten vom Wandern schreiben. Was soll ich sagen? Sie haben wohl Recht. Und so wird sich auch die Geschichte vom Rascheln letzten Endes als eine Wandergeschichte entpuppen. Ich habe meine Gründe…

Wir wollten also auf den Risserkogel, das ist so ein Berg am Tegernsee, der sich im Gebirgseinerlei vor allem durch seine zahlreichen Ameisenpopulationen hervortut. Die Ameisen auf dem Risserkogel sind dabei keinesfalls Standardameisen. Sie sind vielmehr besonders groß und besonders emsig, viel emsiger als herkömmliche Talameisen. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Risserkogeler Ameisen die mit Abstand emsigsten Ameisen sind, die mir überhaupt je unter (den Wanderschuh) gekommen sind. Neben ihnen fühlt sich ein jeder gleich wie ein rechter Faulpelz.

GipfelkreuzWährend diese emsigen Ameisen sich also ihre Ameisenseelchen aus dem Leib schufteten erklommen mein furchtloser Wandergefährte und ich ihren überdimensionalen Ameisenhügel. Es versteht sich von selbst, dass der Weg lang und steil war – unter 800 Höhenmetern fangen wir nämlich gar nicht erst an zu wandern! Zwar bin ich bei Touren wie dieser aus der puren Not heraus meistens eher einsilbig gestimmt, doch konnte ich mir nicht nehmen lassen, in regelmäßigen Abständen lauthals Exkremente von kleinen Waldbewohnern zu kommentieren, da diese fast eben so zahlreich wie die bereits erwähnten Ameisen dort herumlungerten. „Hasenscheiße!“

Mein Wandergefährte missinterpretierte meine zum Ausdruck gebrachten Naturbeobachtungen als weibisches Rumgemeckere, aber so etwas Banales würde ich niemals tun! Es war echte, aufrichtige Hasenscheiße die dort überall auf den Wegen drapiert worden war und ich fand, dass diese meine vollste Aufmerksamkeit verdient hatte. Zumal Ostern war.

Nach Stunden des steilen Aufstiegs und Aufgekletteres erreichten wir dann irgendwann tatsächlich und völlig unerwartet das Gipfelkreuz. Ich bin ja sonst nicht so ein Fan von Kreuzen, aber in diesen besonderen Momenten auf Berggipfeln gelingt es auch mir ein Kreuz mit Erlösung zu assoziieren. Ich kann sitzen und es gibt was zu essen – was könnte einer Erlösung näher kommen? Und dazu noch diese himmlische Ruhe, wie man sie doch wohl in der Nähe von Gipfelkreuzen von den rund 100 anderen Gipfelstürmern erwarten darf!

Wenn da nicht diese Zumutung von Frau gewesen wäre! Stellen Sie sich das bloß vor! Mitten in das Berggipfelidyll tritt Eine, die sich wagt gute zwei Sekunden lang mit einer mitgebrachten Butterbrotstüte voller Provokanz zu RASCHELN! Ist doch beileibe kein Wunder, dass dies einen anderen Gipfelstürmer so dermaßen auf die Palme treibt, dass er nicht anders kann als sich lauthals über den ganzen Gipfel hinweg über die Ungezogenheit dieser Person, die es wagte in Seine Stille hineinzurascheln, zu echauffieren. Und es ist doch ebenso wenig ein Wunder, dass die raschelnde Dame angesichts der Schimpfe des aufgebrachten Herren erstmal ebenso lauthals feststellen muss, dass er ja nicht einmal (!) ein Bayer sei, so dass er schon mal per se kein Recht habe sich auf einem bayerischen Berg am Rascheln einer bayerischen Bergwanderin aufzureiben. Nirgends schlägt das echte Leben so unvermittelt zu wie auf Berggipfeln! Eingeschüchtert bemühte ich mich, meine mitgebrachten Trockenfrüchte besonders geräuscharm zu vertilgen und dabei möglichst bayerisch auszusehen. Höchste Zeit für den Abstieg!

Da wir uns unsicher waren, welche Route für den Abstieg wohl die beste wäre, fragten wir eine älteren Wandersfrau mit lustigen Strümpfen, die aussah als habe sie den Risserkogel schon als kleinen Hügel gekannt, nach dem besten Weg ins Tal. Sie empfahl uns einen „leichten Gehweg“, der sich bei ihr fast wie Fußgängerzone anhörte. Der „leichte Gehweg“ entpuppte sich jedoch schnell als felsiger Hasenpfad und wir fragten uns, wie viele Leute die ältere Dame mit den lustigen Strümpfen schon auf diese Art gelinkt hatte. Ein paar Mal war es uns beim Hinabklettern so als hörten wir in der Ferne ein keiferndes Lachen….

Der Abstieg ging kaum schneller von Statten als der Aufstieg und meine Füße jammerten mir die Schuhe voll. Sehr zu meinem Leidwesen hatte sich außerdem ein ausgewachsener Sonnenstich in meinem Oberstübchen niedergelassen. Das muss man mal gehabt haben, das ist ganz was Feines! Und als ich da so sonnenstichig vor mich hin über den Tag sinnierte, da dachte ich angesichts der Härten des Tages bei mir: „Der Risserkogel, das ist der Mount Everest der Voralpen. Den schaffen nur die Allerhärtesten!“

Bild: Flickr / andreas_fischler

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


3 × = 3