Bis vier an einem Ende der Stadt zu feiern und um neun schon wieder gesäubert und gekleidet am anderen Ende der Stadt in einem Zug zu sitzen, den man natürlich auch erst in letzter Sekunde und im Schweiße seines Angesichts erreicht hat, das ist schon eine Glanzleistung für die man sich mit Fug und Recht mindestens bis Leipzig auf die Schulter klopfen sollte.
Das Dumme an diesem straffen Zeitmanagement ist allerdings, dass es einem das beiläufige Schrippenabgreifen gänzlich verunmöglicht. Ein Glück, dass die Deutsche Bahn tief im Innern ihrer Pannenzüge kleine französische Frühstückscafés beherbergt. Das hätte ich selbst nicht besser aushecken können! Dem Bordbistro hatte ich mich schon ein um das andere Mal in eindeutiger Absicht genähert (- Nic Nac’s, Sie wissen schon -), aber das Bordrestaurant hatte ich bis dato aus oralästhetischen Motiven gemieden. Dieses Mal waren mein feinfühliger Gaumen und ich bereit eine Ausnahme zu machen. Nachdem ich mein Badehandtuch reservatorisch auf dem mir zugesprochenen Sitzplatz ausgebreitet und mein Gepäck in die dafür vorgesehene Vorrichtung gewuppt hatte, drapierte ich mich also hungrig, adrett und mit koketter Miene auf der kuschelige Chaiselongue des schienengeführten Gourmettempels.
Noch während ich mich meditativ darauf vorbereitete vorbei fliegende Croissants und sonstiges Getier mit dem Munde zu erschnappen, machte mir auch schon der maître du wagon persönlich seine Aufwartung. Nach dem üppigen Prolog breitete er schließlich ein encyclopædiabritannicaesk anmutendes Schriftstück vor mir aus, das mir in etwa 1.356.789 Früh-, Mittel- und Spätstücke zur Auswahl feilbot. Binnen Sekunden hatte ich meine Wahl getroffen. Inspiriert von der pfeilschnell vorbeirauschenden Umgebung – ich bewegte mich geradewegs auf Jena Paradies zu – entschied ich mich für einen Klassiker.
Was dann kam, war wirklich ganz großes Frühstückskino mit den bekanntesten Stars aus Backstube, Fleischerei und Omas Einweckglas. Auch auf die Special Effects wie etwas, das sich wie von selbst wieder auffüllende Latte-matschato-Glas musste ich nicht verzichten. Das Bühnenbild, das ständig zwischen vorbeiziehenden Landschaften und urbanem Stillstand alternierte, während sich das windschnittige Stahlgeschoss auf mäandrierenden Wegen dem Ziel entgegen schleuderte, rundete das spektakuläre Gesamtbild ab.
Als ich nach dem Abspann etwa eine gute Stunde später mit einem Krümel im Knopfloch meinen bis dahin verwaisten Abteilplatz aufsuchte, wusste ich plötzlich ganz genau, dass ich niemals wieder ohne Badehandtuch verreisen würde.
Bild: schoschie / Flickr
hätten Sie eventuell ein Glas stilles Wasser, Sie schreiben recht trocken. ;) großes Kompliment!
Dem kann ich mich nur anschließen. Wie immer klasse!
Ich möchte mein Kompliment an Dich mit der Info untermauern, dass ich Deinem Blog einen Platz auf meinem iPhone gegeben habe :-)
Oh. Danke. Das ist ein sehr schönes Kompliment. Leider schreibe ich momentan sehr wenig. Aber das sollte mir wohl ein Ansporn sein ;)