Asiawoche XIII: Der Käse

MaoDer zweite Tag in Beijing spielte sich zunächst zum größten Teil im Büro ab. In der Mittagspause brachten mich die Kollegen in eine Nudelbar, in der es sehr schmackhafte Nudelsuppen gab. Bewaffnet mit Stäbchen und Suppenlöffel kümmerte ich mich zunächst um den flüssigen Teil der Suppe, da mir das einfacher erschien. Was blieb waren von der Suppe glitschige, spaghettiartige Nudeln, die sich der Könner mit Hilfe der Stäbchen in den Mund stopfte. So weit ließ ich es erst gar nicht kommen. Nudel für Nudel rutschte wieder zurück auf den Teller, noch lange bevor die Mündöffnung überhaupt in erreichbare Nähe kam. Ich würde in dieser Mittagspause verhungern – das war klar. Eine meiner Kolleginnen stand auf und ging geradewegs auf einer der Restaurantangestellten zu. Sie diskutierten eine Weile, dann wühlte die Dame ein paar Minuten in einem Schrank herum, bis sie schließlich eine Gabel zutage brachte. Meine Kollegin hatte mein Leben gerettet und ich konnte – leicht peinlich berührt – die Nudeln aus meiner Suppe ihrer Bestimmung zuführen.

Ein schweizerischer Kollege, der schon sehr lange Zeit in Beijing lebte, bot mir am Abend an, mir bei er Suche nach dem „echten“ China ein wenig unter die Arme zu greifen. Da wir nur wenige Stunden Zeit hatten, entschloss er sich, mir die schnellste Stadtführung der Welt angedeihen zu lassen. Zur Einstimmung gab es Shop-ping – eine der wirklich ältesten chinesischen Traditionen. Wir fuhren dazu zum Silkmarket, einem Straßenzug auf dem ursprünglich – man glaubt es kaum – Seide verkauft wurde. Die Straße hatte man irgendwann links liegen und an ihrer Stelle eine riesige Halle hochgezogen. Auch die Seide stand nicht mehr im Mittelpunkt des Geschehens. Sicher hatte der ein oder andere Händler noch ein Seidentuch in der Schublade, aber das wesentliche Geschäft wurde hier mit Originalware von Lui Wu Tong, Dol Tse & Gha Ba Na sowie Gu Chi gemacht. Und außerdem gab es noch mongolische Kaschmirziegen in Pulloverform.

Maximal sieben Minuten und einen Verhandlungsmarathon später hatten wir den Silkmarket um einen Kaschmirpulli schwerer wieder hinter uns gelassen und bestiegen die U-Bahn Richtung Tian’anmen. Der Exerzierplatz war beeindruckend, wenn auch leider um die vorgerückte Stunde schon nicht mehr zu betreten. Rund um den Platz war die Hölle los. Kantonesische Reisbauern, Viehzüchter aus Yunnan, Fischer aus Jiangsu – alle waren sie hierhin gekommen, um sich einmal in ihrem Leben vor dem großen Mao-Konterfei ablichten zu lassen. Gerne auch zusammen mit mir, wie ich verzückt feststellen durfte. Vermutlich hätte ich mir den ein oder anderen Yuán auf diese Art verdienen können, aber auch dafür blieb an diesem Abend keine Zeit.

Der Stadtspurt ging weiter nach Qianmen, vorbei am alten Bahnhof und mitten hinein in den naturgetreuen Nachbau eines alten chinesischen Einkaufsstraße, den eigentlich nur die teuren westlichen Labels verrieten, die sich hier angesiedelt haben. Das Ganze hat was von Freilichtmuseum, irgendwie nett, irgendwie unehrlich.

Verlässt man die Qianmen und begibt sich in einer der zahlreichen von ihr fortführend kleinen Gässchen steht man dann – völlig unvermittelt – mit einem Mal mitten im traditionellen China, wie es in den Hutongs noch heute zu finden ist. Es gibt Straßenhändler, Fahrradrikschas, Köstlichkeiten am Spieß, Kräuterläden – einfach alles, was das Herz begehrt. Mitten im Hutong befindet sich ein Pekingententempel und wir entscheiden uns, den traditionsreichen Abend bei traditionellen Speisen ausklingen zu lassen. Der Sightseeingstress ist wie weggeblasen, als wir das Lokal betreten. Hier haben wir mit einem Mal alle Zeit der Welt und ich frage leise in mich hinein, ob es am Ende gar der Hunger war, der uns wie rollende Blitze durch die Stadt getrieben hatte.
Im Lokal sind außer uns ausschließlich Chinesen zu Gast. Mein Kollege bestellt in fließendem chinesisch was-auch-immer und dazu einen Karton Servietten, die man extra kaufen muss. Der Reihe nach werden uns die köstlichsten Köstlichkeiten aufgetischt, die ich tapfer und zum Erstaunen aller Anwesenden mit Stäbchen bezwinge. Das Geschmackshighlight aus der Vorspeisenplatte: Lilienblüten. Auch die Pekingente entpuppt sich als kulinarischer Höhepunkt. Hübsch verpackt in kleine Teigblätter und von allerlei Gemüsen und Sößchen umzingelt, begleitet das einstige Federvieh den Gaumen in ein Amüsement nach dem nächsten. Yam Mi.

Alle Beiträge der Asiawoche.

Bild: Richard.Fischer / Flickr

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