Für den Abend hatte sich die nette Kollegin überlegt mir ein wenig mehr von ihrer Stadt zu zeigen. Und ich wusste schon ganz genau, was ich sehen wollte: Ich wollte Getümmel, fliegende Händler, Holzhütten, Hund am Spieß und dergleichen – eben all das, was das stereotypische China aus meiner Vorstellung mindestens hätte hergeben müssen. Ich sah nichts von alledem. Stattdessen sah ich die moderne, die europäisierte, die Partystadt Beijing, in der man zu deutlich günstigeren Preisen ein klassisches „westliches“ Leben hätte führen können. Ich fragte beständig nach dem traditionellen China; doch meine Kollegin verstand mich nicht. Lediglich in einer Seitenstraße gab es ein paar Leute, die in kleinen Straßenküchen den ein oder anderen chinesischen Leckerbissen feilboten, aber mehr „Tradition“ war einfach nicht zu holen. Wir liefen kreuz und quer durch die Stadt. Alles war fein herausgeputzt, modern und so völlig unkommunistisch. Und noch dazu so normal. Was sollte ich denn zuhause erzählen, wenn die Welt so viele Kilometer weit weg unterm Strich doch genau dieselbe war? Wenn wenigstens die Menschen dort einen offensichtlichen Knall hätten!
Schließlich führte uns unser Schlendrian durch die Stadt an einem öffentlichen Platz vorbei, der mit Konservenmusik beschallt wurde und auf dem die Leute tanzten – einfach so, als hätten sie nie etwas anderes getan. Ich ging davon aus, dass es sich um einer Party oder eine sonst wie inszenierte Veranstaltung handelte, aber meine Kollegin verriet mir, dass die Chinesen sich nach dem Essen gerne bewegen und das zur Not auch einfach spontan und in Rudeln irgendwo auf dem Heimweg vom Restaurant in dem sie zu Abend gegessen hatten. Auf dem Platz waren alte und junge Leute und sie tanzten jeweils in Paaren. Wer genug getanzt hatte, hörte einfach auf und setzte den Heimweg oder den Weg zur nächsten Station des Abends fort. Niemand fand das merkwürdig. Wenn man mal von mir absah. Aber gleichzeitig fühlte ich auch ein Gefühl der unbändigen Freude in mir aufsteigen: DAS war doch mal was! DARÜBER könnte man sprechen! Hatte ich nun also endlich den so heftig herbeigesehnten Beweis für die kulturelle Andersartigkeit des Chinesen gefunden? Und war das nun endlich das traditionelle China von dem sie alle sprachen? Ich war mir nicht sicher, denn irgendwie hatte ich es mir naserümpfendswerter vorgestellt. Das war es ganz und gar nicht. Eher das Gegenteil. Denn spontanes Herumgetanze ist unterm Strich viel cleverer als der europäische Brauch, sich nach dem Essen auf die Couch zu setzen, um sich hingebungsvoll den Wanst zu tätscheln.
Wir setzen unsere kleine Tour auf der Partymeile Sanlitun fort. Meine Kollegin war völlig aus dem Häuschen, dass ich von diese scheinbar sagenumwobenen Straße noch nie gehört hatte. Hier reiht sich Lokal an Lokal. Die nicht-asiatischen Herren finden sich hier zum feiern ein. Und um sich von den chinesischen Frauen feiern zu lassen. Besonders die europäischen Männer seien bei den Chinesinnen sehr beliebt, verriet mir meine Kollegin. Wegen deren reliefartigen Gesichtern, sagte sie. Ich hörte auf mich darüber zu wundern, dass ich bisher nichts von dieser Straße gehört hatte…
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Hat also Düsseldorf doch nicht die längste Theke der Welt? Man hätte sich’s denken können. Solche Superlative funktionieren nur im Inzest (oder wie man das nennt).
Gab’s da in B. auch ein – Du weißt schon … die es hier auch auf absolut jeder Fußgängerstraße gibt (ich vermeide Schleichwerbung)???
Übrigens: Wo ist Dein blog-make up geblieben? Alles so vornehm blass hier.
Ja. Auch so einen gibt es in Beijing. Es ist wie daheim. Nur anders. Und billiger.
Blog make-up: Das ist doch der angesagte „nude-look“ über den jede spricht. Wenn man aber durch die Vordertür reinmarschiert, treibe ich es bunter.
Das stimmt. Danke für die Aufklärung. Ich hätte es sonst verpasst, weil ich immer den Seiteneingang benutze, Tz,tz, tz – oder besser rss.
Biste gut heimgekommen? Und haste Mr. Jetlag getroffen?
Schöne Glüße.
PS: Aufenthalt des Kontlabass ist total unknown. Vielleicht im Knast?