Die Heldin vom Küchentresen

Sie hatte es satt. Jeden Morgen dasselbe Spiel. Ein Knochenjob und so ganz ohne jeden Anspruch. Sie war Mittel zum Zweck, Handlangerin – das unterste Glied in einer langen Befehlskette. Und das schon seit unzählbar vielen Jahren, die sich zu einer überdimensionalen Lakritzschnecke aufrollen ließen, könnte man Jahre nur aufrollen.

Sie machte ihre Sache gut, verdammt gut sogar. Jedes Detail war perfekt abgestimmt, jeder Handgriff saß. Immer. Es war ein von Anfang bis Ende klarer, sauberer und bis ins μ fein geschliffener Prozess, den sie im Schlaf hätte herbeten können. Eine theoretische Erwägung, denn seit um sie herum die Sorgen zunahmen hatten auch der Schlaf und sie sich voneinander entfremdet.

Espresso mit Wasser

Morgens war es immer der Mann, der sie aufsuchte. Gegen halb fünf hörte sie ihn mit müdem Schritt näher kommen. Unrasiert, mit zerzaustem Haar und abgestandem Atem. In schmuddeligen Schlafanzughosen. Meist war er mit den Gedanken woanders, konzentrierte sich nicht auf sie. Dann lief ihr das Wasser am Bauch entlang, rieselten ihr die braunen Flocken auf den Schoß. Wenn sie fertig waren, ergriff er seine Beute und verschwand. Ließ sie in ihrer Pfütze stehen.

Abends erbarmte sich manchmal die Frau ihrer, legte sie trocken und befreite sie von den Spuren des Morgens. Das waren schöne Momente: Aufmerksamkeiten ohne Forderung nach einer Gegenleistung. Wie Freundschaft – auch wenn das unter den gegebenen Umständen im Grunde undenkbar war.

Nachts kam die Frau dann oft noch mal vorbei, hatte zu viel getrunken, zu viel geraucht. Wie viel zu häufig dieser Tage. Und dann konnte sie nicht schlafen, wollte es nicht. Auf der Suche nach ein bisschen Glück inmitten des großen Unglücks, das ihr vormals heiteres Leben zunehmend verdunkelte, suchte sie nach jemandem, der ihre Trost spendet.

In Momenten wie diesem wusste die heimliche Superheldin der Arbeitsplatte, was zu tun war. Und sie strengte sich ganz besonders an, um der Frau eine Freude zu machen. Schließlich hatte sie ja eine gewisse Verantwortung.

Es gab Espresso, einen doppelten mit Milchschaum. Und ein kleines Lächeln, das über ihre beiden Gesichter huschte.

Auf einmal liebte sie es, in diesem Haus die Kaffeemaschine zu sein. Vielleicht konnte sie diese Ehe nicht retten, aber sie konnte sich wenigstens darum kümmern, dass die vielen Sorgen in ordentlichem Kaffee ertränkt würden.

Bild: INeedCoffee / CoffeeHero / Flickr

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