München-Berlin, 11. Dezember 2009: Ohne Netz und doppelten Boden

Seit einer Stunde bin ich mit dem Zug in Richtung Berlin unterwegs. Wie es so meine Art ist, habe ich tunlichst vermieden auf andere denkbare Verkehrsmittel auszuweichen. Insbesondere die fliegenden ignoriere ich, wann immer mir dies möglich ist. Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass ich fliege … aber wem sag ich das?

Mit dem Zug dauert die Reise von München nach Berlin etwa sechs Stunden – Zeit, in der man bei vorhandener Netzverbindung so das ein oder andere lustige Dings mit dem Internet anstellen wollen würde. Surfen wäre da eine Variante. Sich einen Wolf googlen eine andere. Man könnte auch mal andere Tiere ausprobieren. Aber was auch immer man würde machen wollen, hätte man Netz, wird von der Abwesenheit ebenjenes Netzes noch vor der Geburt des Keimes erstickt.

Nun ist es glücklicherweise in diesem fortschrittlichen Land so, dass man sich nebst Doktortiteln und Frauen auch ein Stück vom Netz kaufen kann. Das Konzept gefiel mir ungemein und so legte ich mir unlängst solch ein Zauberstäbchen zu, dem man nachsagt, dass es die Macht besitzt Menschen auch unterwegs mit dem Netz in Verbindung zu bringen. Meine Freude ist empirestatebuildinggroß. Aber der mir zugewiesene Apfel (dessen Geburt definitiv an einem Montag stattgefunden haben muss) zeigt sich von derlei Enthusiasmus leider auch nach dem gefühlt fünfzigsten Konfigurationsversuch unbeeindruckt. Zwar behauptet er, er sei zusammen mit der ihm angedienten Software eine zarte Liaison mit dem Netze eingegangen, doch der Feuerfuchs und seine Brüder weigern sich wie hintergangene Väter, die Verbindung von der sie nicht wussten noch ahnten anzuerkennen.

Und wenn man dann also von höheren Mächten gezwungen wird, sechs Stunden lang entnetzt und entrechtet leise vor sich hin zu leiden, dann fragt man sich in einem unbeobachteten Moment mit zittriger Stimme: Ist das diese Apokalypse, von der sie alle sprechen?

Bild: arne.list / Flickr

7 Kommentare

  1. schöner Beitrag! Aber wie wär es denn mal mit Lesen?
    Die Bahn hat auf den Plätzen eine Illustrierte liegen die, ehrlich gesagt, recht interessant ist und es gibt noch Bücher. Ich hab immer was dabei wen ich Bahn fahre und mal nen halben Tag ohne das „Weh-hoch-drei“ auskommen hat noch keinem geschadet. (also mir jedenfalls nicht…)

    Na dann! Guten Rutsch!
    Jörg
    N53° 40.315 E10° 03.743

  2. ach frau mellcolm, wie ham sies wieder so schön eloquent auf den punkt gebracht.
    aber haben sie sich mal angeguckt wo die bahn auf dem weg von m nach b durchkommt? da ist einfach nix wo netz herkommen könnt. als alternative bietet das obstgerät doch tausend andere möglichkeiten, sich die zeit zu verteiben. wie wärs zb mal wieder mit rechtereparieren, ordnericons ummodeln oder in bootcamp blöde grimassen schneiden – ruckzuck ist die apokalytze rum und frau m in b.

    1. Aber man hatte nun doch schon 20 Jahre Zeit, da was hin zu bauen. Ich habe bei meiner Steuererklärung beim Soli immer daneben geschrieben „für Netz“. Schließlich will man ja auch mal in das Berlin reisen.

    1. Ach ja, das gute alte Leberwurstbrot. Lassen Sie mich raten: Wenn Ihnen langweilig ist, ritzen Sie mit der Nagelfeile Bilderrätsel in die Leberwurst und lassen Ihre Mitreisenden raten? Oder Sie warten eine halbe Stunde und raten dann selbst?

  3. Frau Mellcolm hätte der doppelten Verlockung des Apfels beim rosa Riesen widerstehen sollen, dann wäre die Sache vielleicht besser ausgegangen.
    Da gibt es kleine Helden die den Zauberstab überflüssig machen und vom ehemals großen Blauen gibt es sogar Notizbücher die keierlei Helferlein bräuchten.
    Vorraussetzung ist meines Wissen allerdings die Wahl des richtigen Wägelchens im spurgebundenen Gefährt. ;-)

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